Rauhnächte und Brauchtum in Ostbayern
Es gibt etwas, dass man nur kennen lernt, wenn man in Bayern lebt oder urlaubt. Denn kein anderes Bundesland Deutschlands lebt die Rauhanchtszeit so aktiv. Hexen, Kramperl und Rauhnachtswesen. Sagen und Legenden. Wilde Kreaturen, aufregend und faszinierend, erschreckend. Die kalte Jahreszeit ist im Bayerischen Wald und in der Oberpfalz eine Zeit der lebendigen Mythen und Legenden. Auch in den angrenzenden Ländern Österreich und Tschechien sind alte Traditionen und Bräuche noch lebendig. In vielen Gemeinden engagieren sich zahlreiche Ehrenamtliche mit Begeisterung und Leidenschaft für den Erhalt der uralten Rauhnachtsbräuche. Vereine, Gruppen, Glockenmacher und Maskenschnitzer tragen zum Erhalt der lebendigen Rauhnachtstraditionen bei, die eine ganz eigene faszinierende Welt darstellen. Jedes Jahr im November, wenn die kalte Jahreszeit beginnt, eröffnen die Wolfsauslasser diese besondere Zeit des Jahres und machen Platz für erschreckend schaurige Gestalten. Krampusse, Hexen und Rauhnachtsgestalten ziehen dann durch alle Gemeinden und verbreiten Ehrfurcht und Andacht. Sie erinnern an die Bräuche von damals und ermahnen den Mensch, dass den Winternächten seit jeher eine besondere Wirkung zugeschrieben wird. Für viele Urlauber ist dieses Brauchtum beim ersten Zusammentreffen ein wenig ungewohnt und daher möchten wir gerne einen Einblick in die lebendige Kultur dieser Zeit gewähren. Denn auch in den heimischen vier Wänden sind die kalten Wintermonate voller Rituale und Bräuche.
Der Beginn der Rauhnachtszeit in der Oberpfalz und im Bayerischen Wald
Viele der heutigen christlichen Feiertage basieren übrigens auf heidnischen Festen, aus denen oft die sehr alten Rituale und Legenden stammen. Von der Oma überliefert, pflegt man sie noch heute. Mit Liebe, mit Begeisterung für die eigene Heimat, vielleicht auch mit einem Funken Hoffnung. Natürlich ist auch eine Portion Aberglaube mit dabei. Aber Altes zu bewahren ist sicherlich nicht verkehrt. Die traditionellen Rauhnachtstage die man überall kennt, beginnen mit Weihnachten und hören mit dem Hl. Dreinkönigstag am 06. Januar auf. Das sind die klassischen Zwölfernächte: eben 6 Nächte im alten Jahr sowie 6 Tage im neuen Jahr.
Die Rauhnachtstage in Ostbayern
Das besondere in Bayern ist jedoch, dass man neben den allseits bekannten Zwölfernächten weitere Rauhnachtstage aktiv im Jahreskreis zelebriert. So etwa die Andreasnacht, die Nacht vor dem 30. November. Diese ist nach dem Todestag des Heiligen Andreas benannt, dem Patron der Fischer, Verliebten und Eheleute. Laut alter Tradition kann man in dieser besonderen Nacht den zukünftigen Lebensgefährten erblicken und ihn an sich binden. Es gibt verschiedene Rituale dafür: Man kann ein Andreasgebet sprechen, den Tisch für zwei decken, um den Partner herbei zu wünschen oder in einen Spiegel bzw. ins Wasser schauen, um das Antlitz des Zukünftigen zu sehen. Diese alten Bräuche finden sich auch in den Märchen der Gebrüder Grimm wieder.
Die Allerseelennacht beginnt am Folgetag und es heißt, dass in dieser Nacht die Verstorbenen in ihren früheren Orten Totenmessen abhalten. Der alte Volksglaube besagt, dass, wer sich leise und unbemerkt der Kirche nähert und sich kniend vor das Fenster stellt, die Toten sehen oder hören kann. Es wird jedoch nicht empfohlen, denn es gilt als Zeichen des Respekts, die Toten ungestört ihren Moment "genießen" zu lassen. Noch einmal auf Erden zu wandeln. Deshalb rät der Volksglaube, in der Allerseelennacht das Haus nach Einbruch der Dämmerung nicht mehr zu verlassen. Doch bevor dies geschieht, begehen die Christen heute das Allerheiligen Brauchtum. In allen Gemeinden kommt man heute zum gemeinsamen Gang zum Friedhof zusammen. Dort betet man an den Gräbern der Verstorbenen, und der Priester segnet sie.
Die Zwölfernächte läuten das Ende des Jahres ein. Sie beginnen mit dem Weihnachtstag und enden mit dem hl. Drei Königstag am 06. Januar. In dieser Zeit so sagt man, stehen die Pforten zum Geisterreich auf und die wilde Jagd bricht auf. Wilde dämonische Wesen kommen vom Himmel herab und lehren den Menschen Anstand und Respekt. Dieser alte Glaube geht weit in die Jahrhunderte zurück und besitzt in vielen Ländern Wurzeln. Daher gibt es gerade für diese Zwölfernächte zahlreiche Bräuchte und Rituale, die sich je nach Region unterscheiden. Für die Bauern stehen die Zwölfernächte symbolisch für den Ertrag des nächsten Jahres. Jede Nacht für einen Monat. Andere hingegen leben in dem Glauben, dass die ersten sechs Nächte in Träumen Revue passieren und man mit Belastenden abschließen kann. Die 6 Nächte im neuen Jahr hingegen weisen die Zukunft und den Weg. ZU den klassischen Bräuchen in dieser Zeit zählen:
- Kopfbedeckung: ohne eine Kopfbedeckung soll man in einer Rauhnacht bei Einbruch der Dunkelheit das Haus nicht mehr verlassen
- Lossagen:Rauhnächte sind Nächte der Veränderung. In einer Rauhnacht kann man das Leben leichter verändern, mit dem Lossagen kann man sich so etwa von Belastenden freisprechen und leichter Abschied nehmen
- Maulgaben :in Teilen Bayern gibt man dem Stallvieh in der letzten Rauhnacht kleine Brotstücke mit geweihtem Salz, damit die Wilde Jagd das Vieh unbeschadet zurück lässt
- Monate: in manchen Regionen ordnet man jede Nacht der Zwölfernächte einen bestimmten Monat zu.
- Pantoffelwerfen:in der Nacht vom 28.12. auf 29.12. wurden früher oft eine Pantoffel über die Schulter geworfen, zeigt die Spitze zur Tür verlässt jemand das Haus, zeigt sie zu einem selbst kommt ein Mensch ins Leben
- Putzen sollte man vor der Christnacht Türschlösser und Türgriffe, denn dann kommt das Glück besonders gern herein
- Räder/ Bewegung: man sagt in den Rauhnächten soll nach dem Abendläuten kein Wagenrad mehr bewegt werden, da man sonst das Schicksalrad aufweckt.
- Räuchern :in der Rauhnachtszeit ein übliches, tägliches Ritual, oft mit Weihrauch oder anderen luftreinigenden Kräutern, geräuchert wird gegen den Uhrzeigersinn.
- Rauhnachtsanfang:eine Rauhnacht beginnt nach dem Abendläuten um 18 Uhr und dauern bis 6 morgens bzw. in manchen Regionen wird eine Rauhnacht von 24 Uhr bis 23.59 des nächsten Tages begangen
- Rauhnachtshexen sind Zaunreiterinnen, dass heißt sie stehen mit einem Fuß im Hier mit dem anderem in der Geisterwelt. In jeder Rauhnacht können sie unartige Kinder und Erwachsene zum Schreck in die andere Welt schubsen
- Ruhe: Rauhnächte soll man stets in Ruhe und mit Respekt erleben, sie sind die ideale Zeit um inne zu halten
Die Silvesternacht markiert den Höhepunkt der Zwölfernächte, in der die Kräfte am stärksten sein sollen. Traditionell wird diese Nacht mit Ritualen und Zeremonien begangen, doch der kommerzielle Trubel nimmt jährlich zu. Heutzutage widerspricht das Verhalten vieler Menschen den ursprünglichen Bräuchen der Rauhnächte. Nach altem Glauben soll man in den Rauhnächten ehrfürchtig sein, nach dem Abendläuten nicht mehr das Haus verlassen und sich würdevoll verhalten. Denn es heißt, dass böse Geister und Dämonen Unheil säen, das im neuen Jahr aufkeimen wird, wenn man sich nicht daran hält.
Am 4. Januar, dem Hohen Frauentag oder auch der Nacht, ist es eine Zeit, in der man das korrigieren kann, was noch nicht richtig ist. Es ist eine Gelegenheit, Streitigkeiten beizulegen und sich mit jenen zu versöhnen, die man im Leben behalten möchte, die einem wichtig sind. Traditionell wird an diesem Tag eine Kerze angezündet und das Räuchern ist in vielen Orten üblich. Heute sollte nichts unter den Teppich gekehrt werden, denn Lügen, die heute ausgesprochen werden, verfolgen einen das ganze Jahr über mit schlechtem Ausgang. Das Schlechte, das Menschen tun, wird von den Wilden nicht gemocht und heute besonders bestraft. Früher waren die Menschen an diesem Tag besonders fromm, da man glaubte, dass alles, was man heute tut, einem im Laufe des Jahres doppelt widerfährt. Der Grund für diese Überzeugung ist, dass die Rauhnächte zu Ende gehen und das Wilde Heer um die Schwächen der Menschheit weiß. Wenn etwas endet, fühlt sich der Mensch oft zu sicher und neigt dazu, nachlässig zu handeln. Ausdauer und Disziplin waren noch nie die Stärke des Menschen.